Schritte aus dem Generationengnusch


Anhand des Grundwissens „Familienrollen“, „Betriebshierarchie“ und „Die Ordnung der Liebe“ hat die Schwiegertochter begriffen, dass nicht nur sie Ursache der zwischenmenschlichen Probleme auf dem Hof ist, sondern dass auch Unterlassungssünden von Frieda, Ernst und Marcel Grund dafür sind.

Folgende Schritte können der Schwiegertochter nun helfen, aus dem „Generationengnusch“ herauszufinden. Zu beachten ist dabei, dass es sich um Schritte handelt, die nicht eine Sekunde, sondern Jahre dauern können.



1. Denkt die Schwiegertochter nicht mehr in „Beziehungskategorien“ Schwiegervater/Vater/Grossvater, Schwiegermutter/Mutter/Grossmutter, Sohn, Schwiegertochter und Enkel, erleichtert ihr dies, Entscheide zu fällen.

Verwöhnt die Schwiegermutter/Grossmutter ihre Enkel jeden Tag um Viertel vor zwölf mit Süssigkeiten, ist es für die Schwiegertochter oft schwierig, Grenzen zu setzen, denn die Schwiegermutter/Grossmutter bezieht sich bei ihrem Tun auf (moralische) „grossmütterliche Rechte“ … und sie meint es ja nur gut mit den Enkelkindern.

Regula sollte sich fragen: „Würde ich es akzeptieren, wenn Herr Meier oder Frau Müller meine Kinder jeden Tag um Viertel vor zwölf mit Süssigkeiten verwöhnen würde?
Sie klammert durch eine solche Fragestellung „diffuse moralische Rechte“ von Grossmüttern, Grossvätern auf ihre Enkel, von Schwiegereltern auf ihren Sohn, von Hofabtretern auf den Hof usw. aus. Dies hilft ihr, klarer zu erkennen, was SIE eigentlich will.



2. Ist die Schwiegertochter mit etwas nicht einverstanden, muss sie zuerst feststellen, ob dieses „Etwas“ überhaupt auf ihrem Territorium und/oder in ihrer Kompetenz liegt.

Beispiel:
Frieda und Ernst streichen die Fensterläden am Stöckli zitronengelb. Regula findet dies grässlich.

Tatsache: Am Stöckli haben Frieda und Ernst die Nutzniessung. Dazu gehört auch, über die Farbe der Fensterläden zu entscheiden.

Schlussfolgerung: Regula hat die zitronengelben Fensterläden zu akzeptieren – am besten (für das Zusammenleben aller) in einer positiven Haltung.



Beispiel: Frieda behändigt – ohne zu fragen - sämtliche Überkleider von Marcel, die sich in der Waschküche befinden. Sie will sie waschen und flicken.

Tatsache: Die Waschküche gehört Marcel und Regula. Frieda und Ernst verfügen über eine eigene Waschküche. Die Überkleider gehören Marcel. Für deren Pflege ist Regula zuständig.

Schlussfolgerung: Frieda hat ihre Kompetenzen überschritten (auch wenn sie es „ja nur gut meint“). Regula kann sie darauf aufmerksam machen und sie darauf hinweisen, dass sie selber diese Aufgabe gerne wahrnimmt.



Lässt sich – weil nichts Schriftliches besteht und das Gespräch darüber von Frieda, Ernst und Marcel oder auch nur einem von ihnen verweigert wird – die Kompetenz nicht einwandfrei feststellen, muss Regula (oder Regula und Marcel usw.) eine Annahme treffen, mit der sie leben kann/können.

Beispiel: Bäri, der elfjährige Hofhund, ist nicht mit Frieda und Ernst ins Stöckli gezogen, sondern im Bauernhaus geblieben, weil Frieda und Ernst es für den Hund so besser fanden. Regula füttert Bäri und die Kosten für den Tierarzt usw. werden von Regula und Marcel übernommen. Dieses Vorgehen hat sich „einfach so“ ergeben, ohne Worte.
Ernst liebt es, seinem Bäri jeden Tag zwei, drei Basler Läckerli oder drei, vier Kägifrettli zu bringen. Seiner Meinung nach ist es normal, dass Hofhunde „etwas auf dem Leibe“ haben.
Nun ist nicht nur Regula, sondern auch der Tierarzt der Meinung, dass Bäri viel zu schwer ist. Er sollte seiner Gesundheit zuliebe unbedingt abnehmen. Die Güezi sollten gestrichen werden und Bäri sollte ein „Seniorenhundefutter“ erhalten.
Leider ist mit Ernst nicht über die Güezi für Bäri zu verhandeln und Regula nervt sich weiterhin jeden Tag über die „Bäri-Geschichte“, weil sie für Bäris Gesundheit fürchtet und sie für Bäri nicht so die Verantwortung übernehmen kann, wie sie es für richtig hält.

Mögliche Schlussfolgerung: Regula akzeptiert, dass die „Bäri-Geschichte“ weitergeht wie bisher und gewöhnt sich an, sich nicht mehr darüber aufzuregen, dass sie nicht so zu Bäri schauen kann, wie sie gerne möchte. (Regula muss hier ehrlich zu sich selber sein, denn: Der Beschluss, sich nicht mehr zu nerven, kann Regula in wenigen Tagen fassen, diesen Beschluss zu leben wird Wochen, Monate vielleicht sogar Jahre dauern.)

Weitere mögliche Schlussfolgerung: Regula stellt Ernst und Frieda vor die Entscheidung, dass entweder sie - auf die Weise, die sie für richtig erachtet – für Bäri sorgt oder dass Frieda und Ernst Bäri zu sich ins Stöckli nehmen.



3. Die Schwiegertochter muss sich bewusst werden, was sie selber überhaupt will.

Schwiegertöchter nehmen oft viel zuviel Rücksicht auf Kinder, Ehemann und Schwiegereltern. Sie wollen es allen recht machen … sie wollen, dass alle glücklich sind … sie wollen geliebt und anerkannt werden … und vergessen dabei sich selbst. Das kann soweit gehen, dass eine Schwiegertochter dasteht und überhaupt nicht mehr weiss, wer sie selber eigentlich ist. Sie lebt nicht ihr Leben, sondern das Leben ihrer Mitbewohner.

Beispiel: Verwöhnt Frieda die Zwillinge jeden Morgen mit Süssigkeiten, muss Regula sich fragen: Will ich das? Will ich, dass meine Kinder jeden Morgen Süssigkeiten essen? Finde ich, dass es den Kindern gut tut? Kann ich die nächsten zehn Jahre mit dieser Tatsache leben?

Schlussfolgerung: Findet Regula die Situation (ehrlich!) gut, muss sie nichts tun.

Weitere mögliche Schlussfolgerung: Ist Regula mit dieser Situation nicht einverstanden, weil sie der Gesundheit der Zwillinge abträglich ist, folgt Schritt vier.



4. Die Schwiegertochter bespricht mit ihrem Mann die Situation.
Regula macht Marcel darauf aufmerksam, dass sie nicht einverstanden damit ist, dass die Zwillinge von Frieda jeden Morgen mit Süssigkeiten verwöhnt werden und begründet ihre Meinung.
Hat sie Glück, steht ihr Mann ihr zur Seite, und gemeinsam können sie ihre Sicht der Dinge den Eltern gegenüber vertreten.
Hält sich ihr Mann lieber bei seinen Kühen auf und geht einer Konfrontation mit seinen Eltern aus dem Weg, kommt Schritt fünf zum Zuge.



5. Die Schwiegertochter muss aufhören, in Sachen „Generationsprobleme“ (Beziehungsprobleme) auf die Unterstützung ihres Ehemannes zu warten.

Es ist eine Tatsache, dass die meisten Bauernsöhne, die mit ihren Eltern auf dem Hof zusammenleben, einer Konfrontation mit ihren Eltern aus dem Wege gehen, aus welchen Gründen auch immer (Angst, Harmoniesucht, Bequemlichkeit usw.).
Zudem wird Beziehungsarbeit (praktischerweise für männliche Wesen) immer noch oft den Frauen zugeschoben: „Sachfragen sind Männersache, Beziehungsfragen sind Frauensache“. Sachfragen zu lösen (Rücklicht am Traktor reparieren, Holz hacken, Stall misten usw.) ist viel einfacher, als „nicht greifbare“ Beziehungsfragen anzugehen: „Warum fühle ich mich unwohl, wenn mein Vater sich jeden Tag zur Fütterungszeit im Stall aufhält?“, „Was kann ich tun, damit mein Vater Regula nicht immer grundlos beschimpft?“



6. Die Schwiegertochter muss den Mut aufbringen, Frieda und Ernst selber Grenzen zu setzen

Regula sagt Frieda (auch im Bewusstsein, dass ihr Ehemann sie nicht unterstützt, ihr vielleicht sogar „in den Rücken fällt“) – ruhig und mit Respekt -, dass sie ab sofort die Abgabe der Süssigkeiten an die Zwillinge nur noch am Samstagmorgen dulden wird. Sie kann diesen Entscheid begründen oder nicht.
Wenn Frieda den Entscheid respektiert, ist die Angelegenheit erledigt.
Wenn Frieda den Entscheid nicht respektiert, wiederholt Regula Schritt vier, evtl. auch Schritt fünf und sechs.

Es ist „leider“ so, dass es auf die innere Haltung von Regula ankommt, ob Frieda den obigen Entscheid akzeptiert oder nicht. Wenn ihre innere Haltung Unsicherheit, Schuldbewusstsein usw. ausdrückt, wird Frieda den Entscheid nicht akzeptieren.
Drückt die innere Haltung von Regula Sicherheit und Konsequenz aus, wird Frieda den Entscheid akzeptieren.

Diese innere Haltung kann/muss Regula üben, immer und immer wieder, indem sie immer und immer wieder Schritt vier, evtl. fünf und sechs wiederholt, wenn sie mit etwas nicht einverstanden ist.

Diese innere Haltung zu erreichen heisst, ERWACHSEN zu werden.

Eine Schwiegertochter, die erwachsen ist, bietet eine bessere Garantie dafür, das Zusammenleben der Generationen friedlich zu gestalten, als eine „nicht erwachsene“.




Bei Auseinandersetzungen – denkt man - geht es meist um „kleine Sachen“:

  • Ernst wäscht – ohne Marcel zu fragen – die Maissämaschine, da er denkt, sie wird nicht mehr gebraucht. Marcel ist aber mit Mais säen noch nicht fertig.
  • Frieda reinigt – ohne zu fragen – Regulas Fenster.


In Wirklichkeit geht es bei jeder „kleinen Sache“ um ein- und dasselbe grundsätzliche Problem:

  • Ernst und Frieda mischen sich in das Betriebs- und Familienleben von Marcel und Regula ein. Sie lassen ihren Sohn nicht los, beachten weder die neue Betriebshierarchie, noch die Neuverteilung des Territoriums, noch die Ordnung der Liebe.
  • Marcel und Regula haben Schuldgefühle, weil sie der älteren Generation nicht einmal bei „so kleinen Sachen“ entgegenkommen können. Sie wissen nicht, um was es in Wirklichkeit geht:


► sie müssen von der älteren Generation das „eigene Leben“ einfordern (Familienrollen)
► sie müssen von der älteren Generation die Betriebsführung sowie das ihnen gemäss Kaufvertrag zustehendeTerritorium einfordern
► sie müssen von der älteren Generation die Einhaltung der „Ordnung der Liebe“ einfordern

►►► weil die ältere Generation nicht loslässt, was sie loslassen sollte.