Aufgaben des Sohnes/Ehemanns


Die Eltern loslassen / erwachsen werden
(siehe auch „Lösungsansätze (für die Schwiegertochter) / Grundwissen Familienrollen")

Nicht nur Frieda und Ernst müssen Marcel loslassen, auch Marcel muss seine Eltern loslassen. Das heisst, Marcel muss erwachsen werden und den Mut haben, sein eigenes Leben zu leben, auch wenn die Eltern mit der Art, wie er sein Leben lebt, nicht immer einverstanden sind.

Sobald Marcel heiratet, sollte er die Rolle als Ehemann und Vater übernehmen und die Rolle als Sohn ablegen, d.h. er sollte – wie im vorerwähnten Märchen – von der Zündholzschachtel der Eltern in eine – von ihm und Regula – neu zu gestaltende Zündholzschachtel ziehen. In dieser Zündholzschachtel werden andere Regeln gelten als in der Zündholzschachtel der Eltern, denn jede Zeit erfordert ihre eigenen Regeln (z.B. Erziehungsstil, ökologische Auflagen im Betrieb, veränderte gesetzliche Vorschriften, usw.). Ebenfalls wird Regula – da sie einer anderen Familienkultur entstammt - eigene Regeln in die Ehe einbringen (z.B. Art der Konfliktlösung).



Den Betrieb übernehmen
(siehe auch „Lösungsansätze (für die Schwiegertochter) / Grundwissen Betriebshierarchie")

Es genügt nicht, dass der Hof auf dem Papier überschrieben wird. Marcel muss – zusammen mit Regula - den Betrieb auch wirklich führen. Das heisst, sie müssen den Mut aufbringen, eigene Entscheide zu fällen, und sie müssen ebenfalls den Mut haben, diese Entscheide Frieda und Ernst gegenüber durchzusetzen, auch wenn diese mit den gefällten Entscheidungen nicht einverstanden sind, sich dadurch vielleicht sogar beleidigt und desavouiert fühlen.



Richtig mit „Erfahrung“ umgehen
Es stimmt, seine Eltern verfügen aufgrund ihres Alters über weit mehr Erfahrungen in Bezug auf die Rolle als Eheleute, Eltern, Betriebsleiter, usw. Trotzdem muss Marcel folgendes beachten:

  • Die Erfahrungen seiner Eltern passen möglicherweise nicht mehr in die heutige Zeit (andere Gesetze, neue Labels, strengere/weniger strenge Kindererziehung usw.)
  • Jeder Mensch hat das Recht, eigene Erfahrungen zu machen.


Erwartungen und Wünsche aussprechen
Unausgesprochene Erwartungen und Wünsche können das friedliche Zusammenleben der Generationen sehr erschweren: Wie soll der andere Erwartungen und Wünschen entsprechen, die er gar nicht kennt? Wenn Marcel beispielsweise am Samstag und Sonntag die Stallarbeit ohne die Anwesenheit seines Vaters erledigen möchte, muss er ihm dies sagen. Tut er dies nicht, wird der Vater spüren, dass etwas nicht stimmt und womöglich die falschen Schlussfolgerungen daraus ziehen.
Nicht alle Wünsche, Erwartungen, Regeln sind von Anfang an klar. Wichtig ist jedoch, dass Marcel sie klar formuliert und kommuniziert, sobald sie bekannt sind und Marcel und Regula sich bewusst dafür entschieden haben.



Grenzen beachten
Marcel muss sich auf dem Territorium von Frieda und Ernst an deren Regeln halten und nicht erwarten, dass sie auf ihrem Territorium seine und Regulas Regeln einführen. Marcel muss den Lebensstil, das Eigenleben von Frieda und Ernst (auf deren Territorium) akzeptieren.



Die Hilfe von Frieda und Ernst nicht als selbstverständlich betrachten
Marcel sollte nicht davon ausgehen, dass Frieda und Ernst jederzeit auf dem Hof mithelfen. Er sollte dankbar sein, wenn Frieda und Ernst – auf Anfrage - mit Rat und Tat zur Seite stehen. Er sollte diesen Dank auch ausdrücken: in Form von Lohn bei regelmässiger Hilfe, in Form von Worten, Geschenken oder Einladungen usw. bei gelegentlicher Hilfe. Es ist auch nicht selbstverständlich, dass Frieda und Ernst die Enkelkinder hüten.



Grenzen setzen, „Nein“ sagen
Bei „Übergriffen“ von Frieda und Ernst auf das Territorium der jüngeren Generation (Gebrauch von Maschinen ohne zu fragen, Beschimpfungen, Verschenken von Kartoffeln des Betriebes an Marcels Geschwister ohne zu fragen usw.) darf Marcel nicht einfach „schweigen und schlucken“, sondern er muss – mit anständigen Worten – Grenzen setzen.

Marcel weiss, dass seine Eltern sehr an Haus und Hof hangen, trotzdem muss er nicht akzeptieren, dass sie sich jeden Tag auf dem Hof, dem Sitzplatz der jüngeren Generation usw. aufhalten. Marcel und Regula haben ein Recht auf ein eigenes Berufs- und Privatleben. Dies muss Marcel (nicht Regula!) seinen Eltern mitteilen und ihnen gegenüber durchsetzen, auch wenn sie sich beleidigt fühlen.

Es ist schön, wenn die Grosseltern Freude an den Enkelkindern haben. Doch den Erziehungsstil bestimmen Marcel und Regula - und Marcel (nicht Regula!) muss seine Eltern darauf hinweisen, wenn sie die Erziehungsregeln der jüngeren Generation missachten.



Klare Bereiche schaffen
Marcel und Regula müssen klare Bereiche schaffen, nicht nur im Berufs-, sondern auch im Privatleben: Arbeitsbereich/Wohnbereich von Regula und Marcel, Arbeitsbereich/Wohnbereich von Frieda und Ernst. Die junge Familie braucht einen abgegrenzten Raum, um zu einer neuen, eigenständigen Familie zusammenzufinden.



Die Eltern ehren / Traditionen
Marcel muss sich bewusst sein, dass „seine Eltern ehren“ nicht heisst, dass diese immer recht haben. Auch wenn Marcel das Leben der Vorfahren achtet, muss er nicht sämtliche Erwartungen, Traditionen, unbewusste „Aufträge“ übernehmen. Er kann – oder muss manchmal sogar – diese kritisch hinterfragen und sie dann weiterführen, fallenlassen oder sogar neue einführen. Marcel muss nicht nur seine Eltern ehren (respektieren), sondern seine Eltern müssen seine junge Familie respektieren. Tun sie dies nicht, ist es die Aufgabe von Marcel, diesen Respekt einzufordern.



Marcel darf nicht nur „Facharbeit“, sondern er muss auch „Beziehungsarbeit“ leisten
Auf einem Hof, auf dem die Generationen friedlich zusammen leben wollen, gibt es nicht nur Facharbeit (Fütterung der Kühe, Reparatur von Maschinen, säen, ernten, usw.) zu leisten, sondern auch sehr viel Beziehungsarbeit. Diese kann – ohne grosse Konsequenzen – vernachlässigt werden bis zur Betriebsübernahme durch den Sohn oder dessen Heirat. Diese beiden Ereignisse haben für alle Beteiligten grosse Veränderungen zur Folge: Der Vater ist nicht mehr Betriebsleiter, sondern Angestellter, es sind nicht mehr drei, sondern vier Personen da, auf die die Arbeiten verteilt werden … Solche Änderungen können Gefühle wie Angst vor dem Alter, Neid, Unsicherheit, Ärger, Trauer usw. hervorrufen. Und darüber muss gesprochen werden. Flüchtet Marcel vor Beziehungsproblemen zu seinen Kühen oder Traktoren, trägt er in grossem Masse dazu bei, das Zusammenleben der Generationen zu untergraben.



Marcel muss Regula unterstützen, wenn seine Eltern sie nicht akzeptieren
(siehe auch "Lösungsansätze (für die Schwiegertochter)/Grundwissen "Die Ordnung der Liebe")
Wenn ein junger Landwirt heiratet, ändert sich für ihn nicht viel. Er bleibt am selben Ort wohnen, er behält seinen Namen, er übt denselben Beruf aus, er hat dieselben Freunde wie vorher. Er spürt auch – meist unbewusst – den Rückhalt seiner Eltern. Für seine Frau ändert sich dagegen (fast) alles. Sie zieht auf den Hof und gibt dadurch ihr soziales Umfeld auf und oft auch ihren Beruf. Zudem hat die ältere Generation hohe (unausgesprochene) Erwartungen an die Schwiegertochter und rechnet damit, dass sie sich im Betrieb einsetzt, dass sie sich problemlos in die bestehende Familie einfügt.
Eltern und Sohn haben dieselbe Familienkultur, die Schwiegertochter eine andere. Das Verhältnis steht also oft „drei zu eins“. Die Schwiegertochter steht mit ihren Vorstellungen und Gefühlen auf der einen Seite, der Sohn und seine Eltern auf der anderen Seite. Der Sohn spürt die Erwartungen seiner Eltern an den Hoferben. Er will nicht ihren Zorn provozieren, indem er sich bei Konflikten zu seiner Frau (der „Gegnerin“ seiner Eltern) stellt.
Läuft Marcel jedoch davon, wenn sein Vater Regula beschimpft und beleidigt, signalisiert er seinem Vater, dass dieser ruhig so weiterfahren darf, dass er von Marcel "nichts zu befürchten“ hat. Die Situation von Regula ihren Schwiegereltern gegenüber erschwert Marcel so erheblich. Dann hat sie es viel schwerer, von ihren Schwiegereltern ernst genommen zu werden.
Dieser Zusammenhänge muss Marcel sich bewusst sein und hier muss er Regula Hilfestellung leisten. Er muss zu Regula stehen, nicht zu seinen Eltern.


Abnabelung von der Herkunftsfamilie


Ein Landwirt berichtet:
"Als eine große Herausforderung für einen Landwirt erlebe ich es, die Abnabelung von den eigenen Eltern auf dem Hof zu schaffen. Wir Landwirte haben meistens nicht die Chance wie andere, längere Zeit von zu Hause fort zu sein und uns auf die eigenen Füße zu stellen. Wir leben und arbeiten fast durchgehend eng mit unseren Eltern zusammen, und für die bleiben wir in erster Linie der Sohn und nicht der Arbeitskollege oder Geschäftspartner. Mühsam ist es, mich von meinen Eltern zu emanzipieren, zu lernen mich als Mann, später als Ehemann und Vater zu definieren. Hilfreich ist für mich dabei:

  • Von meinem Vater etwas zugetraut zu bekommen und von ihm ermutigt zu werden, mich auch schwierigeren Aufgaben zu stellen.
  • Konflikte mit meinen Eltern, vor allem mit meiner Mutter nicht zu scheuen, aber dabei respektvoll mit ihnen umgehen.
  • Auch wenn ich nicht wie andere Geschwister wegziehen kann, mir am Hof einen eigenen Wohnbereich zu schaffen, auch wenn ich noch alleine bin.
  • Dass ich meine Bereiche klar abgrenze, wie Geld, Arbeit und Privates und diesen auch mit allen Folgen selber gestalte.
  • Dass ich von meiner Frau immer wieder zu dieser Eigenständigkeit meinen Eltern gegenüber herausgefordert werde; dass sie aber dabei meine Eltern und Geschwister trotz aller ihrer Macken achtet und das Gute an ihnen schätzt.
  • Kontakte und Freundschaften außerhalb der Familie zu pflegen.

(Zitat aus: http://www.eo-bamberg.de/eob/dcms/sites/lfb/leben_meistern/Partnerschaft/abnabelung.html )